Stab und Kreuz
Die Sache mit dem Kreuz ist eigentlich glasklar, wenn man erstmal die Geschichte aus dem 4. Buch Mose gelesen hat. Die ist heute dran. So wie Worte aus Psalm 25.
Die Sache mit dem Kreuz ist eigentlich glasklar, wenn man erstmal die Geschichte aus dem 4. Buch Mose gelesen hat. Die ist heute dran. So wie Worte aus Psalm 25.
Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antworten, meint Anja Kieser, und wer keine Schwäche zeigen kann, wird nie erfahren, wie es ist getragen zu werden.
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Wüste, Hunger, Ungeduld, Hoffnungslosigkeit, Wut, Infrage stellen all das, was einmal als gut, wichtig und richtig empfunden wurde.
Ja, davon ist die Rede in diesem Text. Diesem alten Text. 4. Buch Mose. Alles längst vorbei. Alter Zopf. Nicht mehr aktuell.
Doch: Sehr aktuell.
Da draußen ist es zu warm für Februar oder wenn nicht, dann regnet es zu viel oder zu wenig. In jedem Fall. Es ist klar: hier verändert sich was – Klimawandel. Hier entstehen neue Wüsten, dort, verschwindet Land im Meer. Wüste, Verwüstungen. Hitze und Kälte und in beiden Fällen, der Natur ausgeliefert. Damals das Volk Israel, heute wir.
Und Hunger? Ich bin satt. Kühlschrank ist voll. Die Biotonne auch. Hier Überfluss und dort die Not. Hungersnot. Aber auch Hungersnot in meinem Wohnzimmer, wenn ich sehe, was manche im Fernsehen oder in den Sozialen Netzwerken dazu treibt, sich für ein paar Euro, einige Sekunden Ruhm und/oder fürs Ego bloß zu stellen, sich selbst, Freunde und Familie vorzuführen. Blank zu ziehen und nach Aufmerksamkeit zu schreien. Hunger? Hunger nach Anerkennung, nach Wahrgenommen werden, nach Liebe. Aber ich brauch gar nicht denken, dass ich davon ausgenommen bin. Ich bin zwar nicht im Dschungelcamp oder auf Social Media unterwegs, aber ich kenn den Hunger auch. Wenn der Alltag mich auffrisst, bleibt nichts mehr übrig. Hunger nach Ruhe. Nach Ausspannen. Nach: mal los lassen können. Hunger nach all dem, was mir gefühlt fehlt.
Und Ungeduld, die kenn ich auch. Mit mir. Mit anderen. Ich bin ungeduldig. Es muss sich was ändern, damit Menschen nicht mehr fliehen müssen. Nicht wegen Krieg und Vertreibung, aber auch nicht, weil sie in ihrem Land verfolgt werden oder keine Chance auf ein menschenwürdiges Leben haben. Ich bin ungeduldig. Jetzt soll sich etwas ändern. Auch in meinen schmerzenden Füßen. Ich will nicht mehr zum Arzt rennen. Das Medikament muss doch jetzt endlich helfen. Ungeduld. Natürlich gesellt sich zu all dem dann Zweifel. Warum ist das alles so furchtbar? Hallo Gott? Wo bist du? Kannst du gerade sehen, wie meine Hoffnung schwindet? Wie das Eis an den Polen? Überschwemmung droht. Ich werde überschwemmt von all dem, was gerade nicht läuft. Das macht mich sauer, wütend, ratlos, lässt mich verzweifeln.
Und wenn ich mir so zuhöre, dann höre ich mich jammern, genau so wie das Volk Israel in der Geschichte. Es ist ja auch zum Jammern. Bzw. es steht schlimm mit vielem in der Welt. Tatsache.
Ich merke aber auch, dass es keinen Deut besser wird, wenn ich all das einfach nur im Jammern benenne. Nun ja ein wenig ja doch, weil im Jammern auch Platz geschaffen wird. Da im Inneren, wo sich alles angestaut hat. Wo die Angst sitzt. Wo der Zweifel nagt und die Liebe aus dem Herz gefallen ist. Jammern kann eine Chance sein.
In der Geschichte bei Mose war das auch so. Natürlich waren die Umstände widrig. Es gab Grund zum Jammern. Es gab Grund dazu, in Frage zu stellen, ob das der richtige Weg war. Die äußeren Umstände haben nicht dafürgesprochen, dass hier alles noch gut läuft.
Vieles spricht dagegen – auch heute – dass es da einen liebenden Gott gibt.
In der biblischen Lesung hören wir, dass das Volk bei dieser Jahrzehntelangen Wüstenwanderung nun auch noch einen Umweg laufen muss. Das Land des Brudervolkes der Edomiter musste umgangen werden. Auch diese Zumutung noch. Sie zweifeln, dass die Befreiung aus der Gefangenschaft in Ägypten wirklich ein guter Plan war. Und dann lässt Gott die Schlangen los. Er sandte sie nicht, wie es manche übersetzen, auch Luther. Es heißt vielmehr. Gott lässt die Schlangen los. Er lässt der Geschichte ihren Lauf. Hält das Unheil nicht länger auf. Die Wüste Negev ist bekannt für Nattern und Kobras. Gott schickt sie nicht. Er lässt los.
Diese Geschichte ist voller Bilder. Bilder, die sinnbildlich sind.
Diese Welt. Von Gott so gut geschaffene Welt. Sie ist auch eine schlechte Welt. Nach dem die Schlange in der Schöpfungsgeschichte auftritt, nimmt auch dort das Unheil seinen Lauf. Alles war gut: als Gott die Welt erdachte, als Gott das Volk befreite, aber dann ist da eben auch all das Schreckliche. Erst ist Gott ganz präsent in dieser Welt und dann ist die Welt gleichzeitig ein Ort, an dem nichts mehr stimmt und wo Gott abgelehnt wird. Die Schlange weist darauf hin.
Aber dann passiert etwas Wunderliches. Ein Stab mit einer Schlange, die sich um diesen Stab windet, wendet das Schlimmste ab. Gott wendet sich mit diesem Zeichen nochmals an sein Volk und mehr noch, wer auf dieses Zeichen schaute, blieb am Leben. Die Schlange, die den Tod bringt, wird gebändigt an einem Stab und steht in diesem Zusammenspiel plötzlich für das Leben. Der Tod hat seinen Schrecken verloren. Da ist noch Wüste, da ist noch Hunger, da sind noch Ungeduld und Zweifel, aber etwas hat sich verändert: Gott macht die Tür weit auf, dass der Mensch wieder mit ihm in direkte Beziehung treten kann. Die Menschen, die er liebt. Schenkt Leben trotz allem Schrecklichen.
Und auch das hat eine Fortsetzung gefunden. Viele Jahre später. Wieder ist die Welt eine zum Davonlaufen. Die Römer besetzen das Land. Einheimische lassen sich kaufen, um mit der Besatzungsmacht Geschäfte zu machen. Ansonsten eben auch Weltenwahnsinn. Alltagsgrausamkeit. Menschen, die Fehler machen. Genau wie Jahre davor. Genau wie heute.
Doch dazwischen ist wieder etwas geschehen; hat Gott etwas getan, das Folgen hat bis heute.
„Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er den einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“, beschreibt es das Johannesevangelium. Gott liebt. Er liebt ohne Wenn und Aber. Er liebt diese Welt. Diese Welt, die perfekte Schöpfung und gleichzeitig Ort der größtmöglichen Abkehr von Gott ist, durch all das, was der Mensch damit macht. Der Welt, anderen Menschen, sich selbst antut.
Gott liebt diese Welt. So ist es. Es ist nicht Gott der unversöhnt ist mit der Welt, sondern der Mensch mit Gott. Nicht Gott wendet sich ab. Der Mensch. Wir sind verloren. Wir haben Gott verloren. Wir versuchen aus eigener Kraft heraus zu leben oder leben nur für uns selbst. Und wie der Stab mit der Schlange, schenkt Gott wieder neues Leben. Er gibt sich im Sohn, in Jesus, sozusagen selbst hin. Um mit uns wieder in Beziehung zu kommen. Reicht uns nochmal die Hand, die Beziehung zu ihm zu suchen, die er nie abgebrochen hat. Will wieder retten. Wieder und wieder.
Es geht bei Mose und auch bei Jesus darum, wieder mit Gott in Beziehung zu kommen. Den Blick auf ihn zu richten. Und wieder sagt Gott mir: Ja. Diese Welt hat viele Schatten Seiten. Ja. Auch du hast Fehler gemacht. Menschen verletzt, Vertrauen zerstört, das Wort gebrochen, hast Schuld auf dich geladen. Aber wie ich die Schlange um den Stab wickeln ließ, habe ich alles Grausame dieser Welt selbst erlebt und lasse es am Kreuz sterben. Ich liebe dich. Hab dich immer geliebt und werde dich immer lieben. Schau auf das Kreuz, wie das Volk Israel einst auf den Stab mit Schlange. All das, was uns trennt: Krieg und Wüste und Hunger und Schmerz und Schuld; todbringendes Leben mitten im Leben bekommt eine neue Chance. Neues Leben. Glaub’s mir doch, indem du mir einen Platz in deinem Herzen einräumst. Lebe aus dieser Beziehung heraus dein Leben in dieser schrecklich, schönen Welt. Das wird dir die Kraft geben, die du brauchst und den Mut Dinge zu verändern. Nimm mich in den Blick, schau aufs Kreuz und dann starten wir neu. Mitten im Leben und später mal darüber hinaus. Was falsch gelaufen ist, das lassen wir am Kreuz sterben und starten durch in ein neues Leben. Neuanfang. Jederzeit. Amen

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